Genotyp und Phänotyp bei Hanf: Der Bauplan trifft auf die Umwelt
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Hast du dich schon mal gewundert, warum zwei Hanfpflanzen aus derselben Samenpackung manchmal doch nicht ganz gleich aussehen, obwohl du sie unter identischen Bedingungen angebaut hast? Oder warum eine Sorte, die für ihre violetten Blätter bekannt ist, bei dir im Garten vielleicht doch grün bleibt? Die Erklärung dafür liegt im Zusammenspiel zweier grundlegender biologischer Konzepte: dem Genotyp und dem Phänotyp. Zu verstehen, was diese Begriffe bedeuten, hilft dir nicht nur, deine Pflanzen besser zu verstehen, sondern auch bei der Auswahl der richtigen Samen.
Der Genotyp: Der genetische Bauplan
Der Genotyp ist sozusagen der genetische Fingerabdruck oder der individuelle Bauplan einer jeden Pflanze. Er umfasst die Gesamtheit aller Gene, die eine Pflanze von ihren Eltern geerbt hat und die in ihrer DNA gespeichert sind.
- Was er festlegt: Der Genotyp bestimmt das Potenzial und die Bandbreite der möglichen Merkmale einer Pflanze. Er legt fest, ob eine Pflanze eher groß oder klein wird, ob sie schnell oder langsam blüht, welche Cannabinoide (wie THC und CBD) und Terpene (Aromastoffe) sie produzieren *kann*, welche Blattfarben möglich sind und vieles mehr.
- Unveränderlich: Der Genotyp einer einzelnen Pflanze ist von der Entstehung des Samens an festgelegt und ändert sich im Laufe ihres Lebens nicht mehr.
Der Phänotyp: Das sichtbare Erscheinungsbild
Der Phänotyp beschreibt, wie sich die Pflanze tatsächlich entwickelt und welche Merkmale sie sichtbar ausprägt. Das umfasst alle beobachtbaren Eigenschaften:
- Ihr Aussehen (Größe, Form, Farbe von Blättern und Blüten)
- Ihren Geruch und Geschmack
- Ihren tatsächlichen Wirkstoffgehalt
- Ihren Ertrag
- Ihre Widerstandsfähigkeit gegen Schädlinge oder Krankheiten
Der entscheidende Punkt ist: Der Phänotyp ist nicht allein durch die Gene bestimmt!
Genotyp vs. Phänotyp: Das Zusammenspiel verstehen
Die einfache Formel lautet: Genotyp + Umwelteinflüsse = Phänotyp
Der Genotyp liefert also den Bauplan mit allen Möglichkeiten, aber welche dieser Möglichkeiten tatsächlich realisiert werden und wie stark, hängt maßgeblich von den Umweltbedingungen ab, unter denen die Pflanze wächst. Die Umwelt „entscheidet“ mit, welche Gene „angeschaltet“ oder „abgeschaltet“ werden und wie sich die Pflanze entwickelt.
Wichtige Umweltfaktoren, die den Phänotyp beeinflussen, sind:
- Licht: Intensität, Dauer (Photoperiode), Lichtspektrum
- Temperatur: Tages- und Nachttemperaturen, Temperaturschwankungen
- Luftfeuchtigkeit: Relative Luftfeuchtigkeit (rH)
- Wachstumsmedium: Art der Erde, Kokos, Hydroponik, etc.
- Nährstoffversorgung: Verfügbarkeit und Verhältnis der Nährstoffe
- Wasser: Menge, Qualität, pH-Wert
- Stressfaktoren: Schädlingsbefall, Krankheiten, mechanischer Stress (z.B. durch Wind oder Trainingstechniken)
Beispiel: Eine Sorte wie ‚Purple Bud‘ hat im Genotyp die Veranlagung, violette Farbstoffe zu bilden. Ob sie dies aber auch tut (Phänotyp), kann von der Temperatur abhängen. Oft wird die violette Färbung erst bei kühleren Nachttemperaturen während der Blüte sichtbar. Wächst dieselbe Pflanze (gleicher Genotyp) unter konstant warmen Bedingungen, bleiben die Blätter möglicherweise grün.
Die Umwelt kann jedoch nur Merkmale beeinflussen, die im genetischen Rahmen vorgesehen sind. Eine genetisch auf niedrigen Wuchs gezüchtete Indica wird auch unter perfekten Bedingungen nicht zu einer meterhohen Sativa heranwachsen.
Phänotypische Variation: Warum sehen Geschwister manchmal anders aus?
Selbst wenn du mehrere Samen aus derselben Packung unter exakt gleichen Bedingungen anbaust, können die Pflanzen manchmal leichte Unterschiede im Phänotyp zeigen. Das liegt an der genetischen Stabilität der Sorte:
- Stabilisierte Sorten: Sorten, die über viele Generationen hinweg durch Inzucht und Selektion stabilisiert wurden (wie viele klassische Landrassen oder etablierte Zuchtlinien), haben einen sehr einheitlichen Genotyp für die wichtigsten Merkmale. Pflanzen aus diesen Samen wachsen unter gleichen Bedingungen meist sehr homogen und sehen sich sehr ähnlich.
- Hybriden (besonders F1/F2): Hybriden entstehen durch die Kreuzung genetisch unterschiedlicher Eltern. Besonders in den ersten Generationen nach der Kreuzung (F1, F2) tragen die Samen noch eine größere Bandbreite an genetischen Möglichkeiten in sich. Das kann dazu führen, dass einzelne Pflanzen aus derselben Packung unterschiedliche Phänotypen ausprägen – eine neigt vielleicht etwas mehr zur Sativa-Seite der Familie (höher, schmalere Blätter), eine andere etwas mehr zur Indica-Seite (kompakter, breitere Blätter), obwohl sie denselben Namen tragen.
Erfahrene Grower betreiben manchmal gezielt „Phäno-Jagd“ (Pheno Hunting): Sie ziehen viele Samen einer vielversprechenden Hybridsorte auf, um den einen, besonderen Phänotyp mit der perfekten Kombination aus Ertrag, Geschmack und Wirkung zu finden und diesen dann über Stecklinge (Klone) zu erhalten.
Die Bedeutung für Deine Samenauswahl
Das Wissen um Genotyp und Phänotyp ist wichtig bei der Auswahl deiner Samen:
- Stabilität = Vorhersehbarkeit: Wenn du möglichst einheitliche Pflanzen mit vorhersehbaren Eigenschaften möchtest (z.B. für einen Sea-of-Green-Anbau), solltest du auf Samen von renommierten, etablierten Seedbanks setzen. Diese investieren viel Arbeit in die Stabilisierung ihrer Sorten.
- Qualität vor Preis: Sehr günstige Samen von unbekannten Anbietern sind oft genetisch weniger stabil. Hier musst du eher mit unerwünschten Variationen im Wuchs, der Blütezeit oder der Wirkung rechnen („Wundertüten-Effekt“).
- Sortenbeschreibungen nutzen: Gute Seedbanks geben oft Hinweise auf die zu erwartende Stabilität oder mögliche phänotypische Variationen in ihren Sortenbeschreibungen.
Fazit: Gene geben vor, Umwelt entscheidet mit
Der Genotyp ist der unveränderliche genetische Bauplan deiner Hanfpflanze, der ihr Potenzial definiert. Der Phänotyp ist das, was du am Ende siehst und erntest – das Ergebnis des Zusammenspiels zwischen diesem Bauplan und den Umweltbedingungen, die du deiner Pflanze bietest. Wenn du beides verstehst, kannst du nicht nur die Vielfalt von Cannabis besser einschätzen, sondern auch gezielter Sorten auswählen und deine Anbaubedingungen optimieren, um das bestmögliche Ergebnis aus der gewählten Genetik herauszuholen.
Hinweis: Ich empfehle dir dringend, dich stets über die aktuellen Gesetze und Verordnungen des Cannabisgesetzes (CanG) zu informieren und diese beim Anbau (max. 3 Pflanzen, Schutz vor Zugriff Dritter etc.), Besitz und Konsum von Cannabis genauestens einzuhalten.